SEO – eine Abrechnung

Entschuldige, lieber Leser, wenn ich dich mit diesem leidigen Thema noch einmal belästige, ich kann es auch nicht mehr hören. Also scroll‘ doch ab und zu ein bisschen nach unten – dann bist du mit dem Text schneller fertig. Und tröste dich damit, dass ich armer Tölpel diesen Text auch noch schreiben musste, was noch langweiliger ist als ihn zu lesen.

SEO, ich mag dich nicht 2 - simplebird.de
Immer Ärger mit SEO – den Wutschlumpf habe ich leider nicht mehr gefunden.

Das eigentliche Dilemma bei der Erstellung einer Nischenseite besteht darin, dass die sogenannte Suchmaschinenoptimierung, kurz SEO, dabei DAS konstituierende Element darstellt. Obwohl
sie so unsagbar ermüdend ist und einen von der Arbeit abhält und man sie Google am liebsten in den Allerwertesten zurückstecken möchte.

Aber Nische bedeutet SEO. SEO ist der Dreh- und Angelpunkt, das goldene Kalb, die Mitte, um die sich alles dreht, und wo betäubt ein großer Wille steht.
Alles, was man angeht – die Texte, die Überschriften, die Absätze, die Wendungen, die Kategorien, die Links, die gesamte Webseiten-Struktur – alles hüpft und springt nach SEO’s Pfeiffe. Nach Suchvolumen, Keywords, Phrasen, nach Tails, Long-Tails und Even-Longer-Tails.

Und nach dem lieben Leser, der nicht mehr als 3 Wörter pro Absatz aufzunehmen vermag.

Hat man eine geeignete Nische gefunden, die funktionieren könnte und für die man auch noch Interesse besitzt. Eine Nische, die einen schon darauf brennen lässt, den Federkiel zu zücken und mit Fahnen und Fanfaren die Massen zu ergötzen – da baut sich plötzlich die alte googleianische Göttin SEO vor einem auf, schwingt bedrohlich ihr Zepter, blickt herab und spricht: „Na, hast du schon deine Hausaufgaben gemacht?“. Ein Gefühl, als ob die Hosen kürzer werden. Merkst du das, lieber Leser, hier riechts doch plötzlich so rauchig nach Lehrerzimmer.
seo-queen
Als ich das erste Mal, in irgendeinem SEO-Blog, darüber gelesen habe, was SEO eigentlich bedeutet und was man dabei unbedingt beachten sollte, bin ich während des Lesens eingeschlafen, habe dann im Traum geträumt weiterzulesen, bin beim Lesen wieder eingeschlafen – und davon aufgewacht.

Als ich dann zum ersten Mal Yoast‘s SEO Plugin für einen neue Website benutzt habe, musste ich laut loslachen. Meine Texte kamen beim Kaffee schlürfenden Holländer gar nicht gut an – rote und orange Punkte prangten auf meinem Dashboard, als hätte WordPress die Windpocken, die sich obendrein von holländischen Tomaten eine Magenverstimmung geholt haben.

Aber das Lachen sollte mir bald vergehen, mir wurden Verstöße gegen die Genfer Seo-Konventionen vorgeworfen und in einer langen Liste verlesen: ich hatte ’no focus keyword set‘, und auch ’no focus keyword in any subheading‘, auch sei meine ‚keyword density‘ von 0% ‚a bit low‘, und überhaupt sei mein Text total „schwer to read“. Ich müsse an die usability thinken. Bewährunsgstrafen wurden auferlegt: Füge Bilder hinzu und ausgehende Links and much more of this and so weiter and so weiter.

Ich weiß ja nicht, was Onkel Yoast van der SEO für gewöhnlich so liest, aber meine Texte sind auf Hochglanz polierte Perlen der filigranen Prosa und ich finde es eine Ungeheuerlichkeit, dass dieses zukünftige Plugout so frech darüber herzieht.
Aber gut, weil ich ein einsichtiger Mensch bin und bereit etwas zu lernen, passe ich den Text so an, wie Yoast es will. Das Ergebnis ist zum Totlachen, aber dafür vollständig optimized. Zusammen mit ein paar unwürdig ergatterten Backlinks, steigen nach nicht einmal 2 Wochen meine Rankings in den Himmel und ich verdiene das erste Geld mit Amazon.

Schön, schön, denke ich, was willst du mehr?
Die eine Sache lässt mir einfach keine Ruhe. Immer, wenn ich meine Texte Korrektur lese – eine ätzende Angelegenheit übrigens, es gibt nichts Schlimmeres als eigene Texte zu lesen. Also immer, wenn ich meine optimierten Texte wieder lese, fasst mich dieser trübe Jammer an. Das kann doch nicht mein Ernst sein, denke ich, meine Yoast-Texte sind eine hohnlachende Beleidung jedes guten Stiles, eine seo-degenerierte Abart der deutschen Sprache, der Sargdeckel aller Originalität.
Und auf dem Sargdeckel befindet sich eine Gravur – es ist ein Holländer mit einer Kaffeetasse vor einem Google-Logo.

Keyword-Subheading im Schlussverkauf

Da wäre zum Beispiel diese Unart, jedem noch so kurzen Absatz eine h2-Headline zu verpassen, am besten mit dem Focus-Keyword. Ab 3 Wörtern ist so etwas nur unter höllischen Zahnschmerzen zu realisieren.
Dann diese Keyword Density und diese Meta-Tags. Meta-Tags! Was sollen die eigentlich, und was ist dieser meta-title? Ich hab‘ doch schon ’ne Überschrift.

Unter SEO Gesichtspunkten kann man sämtlichen Spaßvögeln der Welt, die außer sich selbst noch andere unterhalten möchten, nur dringend anraten, auf Keywords zu optimieren. h1 jetzt wirds lustig /h1, h2 pionte im anmarsch – lachen vorprogrammiert /h2, h2 humor und kleine sketche für dreimarkfuffzig /h2, meta-title: Scherz beiseite, meta-description: humorlose auseinandersetzung mit dem humorigen thema seo, keywords: humor, witze, lachen, keller, affen, amöben, leute, die bei youtube kommentieren.
Fortgeschrittene sollten unbedingt jeden Absatz mit keyword-heading beginnen mit einem Smilie abschließen, damit Google und Userschaft die schwerironischen Bemerkungen auch als solche erkennen können.

Ebenso anheimelnd ist dieser Zwang zum Bild! Was, höre ich schon empörte Stimmen rufen? Bilder sind doch das Salz in der Suppe jedes Artikels. Das mag für euch gelten, ihr Suppenschreiberlinge, ich hingegen schreibe keine Vorspeisen sondern Hauptgerichte, mein Salz und mein Pfeffer bestehen aus Buchstaben, nicht aus Pixeln. (Wehe, mir versaut irgendein übereifriger Technik-Freak und Klugscheißer dieses Wortspiel)
Nicht jeder Text verlangt nach Bildern oder Videos. Die Mittel waren mal vielfältig, seit Seo sind sie einfältig. Man schreibt keine Artikel mehr sondern Bildgeschichten wie in Vorschulbüchern.
Ich will auch nicht jeden Bildtitel mit dem Focus-Keyword versehen. Und schon der alte Goethe hat seinen Faust als Manifest gegen ausgehende Links verfasst: „Nicht jede Schrift ist angetan, den Sinn mit Hoffnung und das Wort mit ausgehenden Links zu erfüllen“, pflegte er zu sagen. Könnte auch Daniel Kehlmann gewesen sein – verwechselt man leicht.

Die Penetranz jedoch, mit der diese Struktur von allen Seiten eingefordert wird, ist wirklich fesselnd – sie lässt kaum mehr Platz für so etwas altmodisches wie Understatement, Subtilität, oder gar Experimente. Und genau so sehen dann 95% dieser sagenumwobenen Nischenseiten auch aus – immer gleich, langweilig und völlig unlesbar.

Natürlich wäre es zu schön, wenn Google ausschließlich nach guten Inhalten gehen würde, aber wie komplex wäre so ein Algorithmus? Und selbst wenn Google einen solchen zustande brächte, was ich nicht anzweifle, würde Google das überhaupt wollen? Google ist entgegen der landläufigen Meinung kein Wohlfahrtsverein, der der Welt die besten Seiten präsentiert, sondern ein nüchtern kalkulierendes Unternehmen, das manchmal auch die guten Seiten nach oben hievt, solange dieses Vorgehen für die eigenen Interessen von Vorteil ist.

Let’s Make Money. Machen wir uns nichts vor, wenn es in der Welt gut und gerecht zuginge, dann wäre Elvis noch am Leben, Donald Trump säße in der geschlossenen Abteilung, Scarlett Johannson würde sich lasziv auf meinem Bett räkeln, der Begriff Nischenseiten-Challenge wäre ein Fachterminus für Evolutionsbiologen und das Logo der Google Webmaster Tools wäre eine Armbinde mit drei schwarzen Punkten.

So, das war’s, du hast es geschafft, lieber Leser! Rauch‘ ruhig erst mal eine. Wenn es dir zu langweilig war, lag‘s nur am Thema. Aber sei frohen Mutes, der Frühling kommt und ich habe darauf verzichtet, mich auch noch über Backlinkstrategien auszulassen. 😉

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